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Herrschaft und innere Befreiung

Einleitung zu: 150 Thesen.



Wir schauen auf eine lange geistige Tradition der Leidverklärung zurück, in der das Leben im Denken vieler Menschen schließlich selbst zur ungeliebten Pflicht verkam.
Und wir empfinden das Fehlen einer Philosophie des Glücks, die uns mit einem positiven Menschenbild und mit Zuversicht ins Leben stellt, in der Regel auch heute nicht als Mangel.

Statt selbstbewusst nach den Voraussetzungen für dauerhaftes Glück zu fragen und für Neues offen zu sein, fürchten wir uns trotz der Potenzen und der wunderbaren Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, vor dem, was kommen mag.
Wir blicken gerne zurück, sind immer noch allzu oft bereit, uns Altem zu unterwerfen und unser Leid geduldig zu ertragen.

Dass wir uns damit in uralter Herrschaftstradition befinden, zu der seit jeher allenfalls das Hoffen auf Besserung, nicht aber das eigenverantwortliche Gestalten des Glücks gehört, machen wir uns selten bewusst.


Überhaupt will uns die Abkehr vom Alten nur schwer gelingen.
Denn selbst wenn wir uns vordergründig längst für Freiheit und Eigenverantwortung entschieden haben, bleiben wir doch von Elternhaus, Schule, Arbeitswelt und Staat zur Unterordnung sozialisiert und durch Bildung so sehr aufs alte Denken bezogen, dass; es uns schon schwerfällt, die eigenen Festlegungen zu entdecken. Meist gelingt es uns nicht, weil wir ein anderes Bezugssystem nicht kennen.


Alles alte Denken ist nämlich Herrschaftsdenken – und alles, was neu gedacht wird, aber auf Altem baut, entsprechend auch.

Ja, Herrschaft, Sprache und Denken sind durch die lange Geschichte der Zivilisation, in der starre Hierarchien bisher zur Herausbildung größerer Gemeinschaften unumgänglich waren, so eng miteinander verwoben, dass es unzählige Redewendungen und Glaubenssätze gibt, die uns Ohnmacht suggerieren.
Denn in gleichem Maße, wie Herrschaft das Zusammenspiel der Menschen und somit auch die Entwicklung der Sprache gefördert hat, war sie ihrerseits auf Sprache angewiesen - weil gehorsame Unterwerfung eben nur gelingt, wenn die Herrschaftsideologie das Denken der Menschen durchdringt.


Aus diesem Grund sind wir auch heute noch so voll von alten Herrschaftsglaubenssätzen, dass sie uns in subtiler Weise bis in die kleinsten Nuancen des Allltags bestimmen - und uns das Glück allenfalls als Geschenk einer höheren Macht erscheint.

Jedes „ich muss..“, das wir uns suggerieren, jedes „ich darf nicht..“, „man tut ..“, „es geht nicht..“ und „es war schon immer so..“ sind verinnerlichte Relikte uralter Herrschaftsideologien, zu denen alle alten Welterklärungsmodelle und natürlich auch die Religionen zählen.

Alles, womit wir uns selbst oder andere ängstigen, kleinmachen und irgendwie ausrichten wollen, gehört in diesen Rahmen - egal ob es düstere Zukunftsprognosen oder Konstruktionen irgendwelcher höheren geistigen Ordnungen oder ewiger Gebote sind.

Schon der bloße Glaube an alte „Wahrheiten“, der Bezug auf altes „Wissen“ und das starre Festhalten an scheinbar sicheren alten Werten haben wie die Furcht, durch Infragestellung einer alten Ordnung den Halt und die Orientierung zu verlieren, mit der alten Prägung zu tun.

Immer wenn wir uns Neuem verschließen und mit verklärtem Blick zurückorientieren, sind wir vom Herrschaftsdenken bestimmt - und wenn wir positive Veränderungen im menschlichen Zusammenhang für unmöglich halten, ebenso ...

Ohne inneren Abstand zum alten Denken sind wir letztlich zutiefst überzeugt, dass es ohne feste Regeln nicht geht, werden uns eine Welt ohne Herrschaft nicht vorstellen können und sie folglich auch nicht für möglich halten.

Und so neigen wir schon im kleinsten Rahmen, in unseren Liebesbeziehungen, dazu, die alten Zwänge zu reproduzieren und träumen im Großen immer noch davon, die Natur zu beherrschen.
Ja, wir werden selbst dann, wenn wir gegen eine äußere Herrschaft aufbegehren, es am ehesten mit Gewalt und eigenem Herrschaftsanspruch tun - obwohl wir dadurch, wie es schon die Revolutionäre vor uns taten, allenfalls nur wieder neue Herrschaft schaffen.


Doch immer noch wähnen wir uns von Zwängen frei, wenn wir selbst zum Herrschen kommen und wollen dies als Irrtum nicht erkennen.
Denn Herrschaft fängt mit Selbstbeherrschung an und wird selbst für den, der herrscht, noch Zwang bedeuten, der seinem freien Lebensfluss und seinem Glück entgegensteht.
Zum Herrschen gezwungen, wird es niemals lieben und vertrauen lernen und folglich auch nicht wirklich glücklich sein.


Nein, Herrschaft gehört nicht zu den Insignien des Glücks.


Die innere Erfüllung wächst auf ganz anderen Wegen, und sie läßt sich durch Herrschaft genauso wenig erzwingen, wie die sich ihrerseits durch neue Zwänge beseitigen lässt.

Die Auflehnung, um die es eigentlich geht, hat daher nichts mit irgendeiner äußeren Herrschaft zu tun. Die Grenzen, die uns hindern, sind im eigenen Kopf gezogen.

Denn durchs eigene alte Denken engen wir uns, egal ob wir Herrscher oder die Beherrschten sind, letztlich ganz freiwillig - und inzwischen sogar völlig unnötig - sehr viel mehr selber ein, als es jemals eine äußere Herrschaft wirklich könnte.


Tatsächlich sind nämlich die Freiräume draußen längst schon weiter, als wir sie nutzen - weil starre Ordnungen für das moderne Zusammenspiel der Menschen zunehmend hinderlich sind. Der blinde Wahn, mit dem mancher dennoch gegen vermeintliche äußere Zwänge anrennen will, gehört daher selbst schon zu den alten Mustern.

Mit überholten Feindbildern, die wir ja stets von außen nehmen, hinken wir der Entwicklung nach, statt ihr im Geist voraus zu sein.


Es gilt, die Herausforderung zu erkennen, die nach innen weist.
Denn die notwendige Orientierung, die uns ganz im Hierundjetzt aufs Leben und aufs Glück ausrichtet, kann nur aus uns selbst erwachsen.

Und die Freiheit, die dazu notwendig ist, fängt im eigenen Geiste an.


Wir tun uns daher selbst den größten Gefallen, wenn wir beginnen, alle alten Gedankenmuster und Glaubenssätze kritisch zu hinterfragen, und dabei mit eigener Herrschaftsprägung rechnen, damit wir unsere innere Tendenz zur Unterwerfung ganz bewußt durchbrechen können.

Kein Tabu und kein inneres Muss sollte dabei unangefochten bleiben.


Denn wir dürfen ..

Wir dürfen das Dürfen lernen.
Wir dürfen uns vom Müssen hin zum Wollen wenden.
Wir dürfen uns überall, wo wir es wollen, vom Alten weg voran dem Neue öffnen und die befreiende Kraft der bewußten Entscheidung für das Glück erkennen.
Wir dürfen uns mit Freude an die eigene Veränderung wagen
- denn wir kommen auch nur so aus der Opferrolle und dem Herrschaftsdenken raus.

Niemand wird uns daran hindern, wenn wir es selbst nicht tun.
Doch wir dürfen uns ja augenblicklich anders schon entscheiden.

Wir dürfen alles anders denken, als wir es bisher taten, dürfen mit Kreativität nach neuen Lösungsmöglichkeiten suchen und uns auf die vielen unbeschrittenen Wege wagen, die seit langem auf uns warten.
Wir brauchen uns vor keiner positiven Veränderung scheuen und uns weder für zu klein noch für zu schwächlich für die große Vision vom wirklichen Glück in Freiheit ansehen.
Wir dürfen sogar die ganze Welt als veränderbar betrachten, die allgemeine Entwicklung positiv einschätzen und zuversichtlich in die Zukunft gehen - denn erst dann werden wir ganz frei von Unterwerfung und wirklich offen und in der Lage zur eigenverantwortlichen Gestaltung unseres Leben sein.



 

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